“Das Obdach” nach Anna Seghers — страница 2

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verteidigen, früher machte er bei jedem Streik, bei jeder Demonstration mit und betrug sich am 14. Juli stets so, als wollte er ganz allein die Bastille noch einmal stürmen. Der Meunier meldete sich freiwillig an die Front. Er lag ein Kriegsjahr in der Maginotlinie in der Befestigungszone. Als der Krieg begann und die Deutschen das Land um die Maginotlinie herum besetzten, war der Meunier beinahe zusammengebrochen. Er war schrecklich überrascht. Vor drei Wochen war er demobilisiert, vor einer Woche machte er sein Betrieb wieder auf. Jetzt war er auf Halbstagarbeit gesetzt, immer noch verbrachte er den gröbten Teil der Freizeit in der Wirtschaft, dann kam er wütend über sich selbst nach Hause, weil er wenig Geld verdienen konnte. Dabei trank er viel und lieb von den Sous

noch welche in der Wirtschaft. Zur Zeit versuchte er sich mit der neuen deutschen Ordnung abzufinden. Er glaubte, der Krieg sei nun einmal verloren, die Deutschen hätten nun einmal das Land besetzt, die hätten aber Disziplin, die verständen sich auf Ordnung. Und deswegen wollte der Meunier den fremden Knaben in seine Familie nicht aufnehmen. Seiner Meinnug nach war es zu gefährlich, er glaubte, Annette habe wirklich sehr dumm getan, solchen Unsinn zu unterstützen. Als der Fremde in die Familie Meuniers kam, konnte ihn der Meunier sofort nicht leiden. Er sagte, der Blick des Knaben mibfalle ihm. Er schimpfte auf seine Frau und auf den fremden Jungen, und manchmal schlug er ihn ohne Anlab. *  *  * Der Meunier selbst war um sein letztes Vergnügen gebracht worden.

Jetzt war einem Schmied am Ende der Gasse die Schmiede zwangsweise von den Deutschen abgekauft worden. Die Gasse wimmelte nun von deutschen Soldaten. Nazisoldaten besetzten die Wirtschaft und fühlten sich dort wie zu Hause. Der Mann konnte das nicht ertragen. Da niemand gern zwischen Nazisoldaten sein Glas austrank, kam man oft mit ein paar Flaschen in Meuniers Küche. Die meisten waren Meuniers Arbeitskollegen aus demselben Betrieb, man sprach frei weg. Das war das Ende vom Lied, verkürzte Arbeitszeit, verkürzter Arbeitslohn, Streikverbot. Mit der Zeit aber konnte er zu sich selbst zurückfinden. Er hatte keine Geduld mehr. Oft sab er vor dem Küchentisch und überlegte sich etwas. Er behauptete er denke an den Deutschen, der gegen Hitler war. Er wollte wohl wissen, was aus

ihm geworden war. Der Meunier lobte jetzt nicht mehr die deutsche Ordnung; mit feiner, gewissenhafter, gründlicher Ordnung war ihm das Leben zerstört worden, im Betrieb und daheim, seine kleinen und groben Freuden, sein Wohlstand, seine Ehre, seine Ruhe, seine Nahrung, seine Luft. Jetzt war der Mann schon für Widerstand bereit. Einmal erklärte er, er würde jetzt den deutschen Jungen in seine Familie gerne aufnehmen. Er würde ihn höher als seine eigenen Söhne halten. Darauf erwiderte seine Frau, er habe es bereits gemacht, und der Knabe wohne bei ihnen. 3. Die Meunier Louise Meunier war Frau eines Drehers und Mutter von 3 Kindern. Sie war nicht berufstätig, aber sie hatte es gar nicht leicht, weil sie ihre 3 Kinder verpflegen mubte. Da Paris im Jahre 1940 von den

Faschisten besetzt war, fehlte es in der Stadt am nötigsten, und die Frau mubte jeden Tag lange Schlange stehen, um das Essen für ihre Familie zu kriegen. Eines Tages besuchte sie ihre Schulfreundin Annette Villard, Hotelangestellte. Aber sie traf ihre Freundin in einem ungewöhnlich erregten Zustand an. Annette erzähte der Meunier, die Gestapo habe vor kurzem einen Mieter verhaftet, aber dieser Mieter, der ein Deutscher sei, habe ein Kind von 12 Jahren. Annette Villard hat diesen Jungen in ein kleines Cafe gebracht, dessen Wirt ihr Freund war. Sie glaubte, es wäre leicht, den Jungen in dieser groben Stadt (w.g. Paris) unterzubringen, aber die Furcht der Franzosen vor den Deutschen war zu grob, und niemand wollte riskieren. Die Meunier äuberte den Wunsch, den Knaben

anzusehen. Sie kam ins Cafe und sagte dem Wirt, der Junge sei mit ihr verwandt, und erklärte, sie brächte ihm Wäsche, aber sie könne ihn erst am nächsten Tag nehmen. Dabei hatte sie viel riskiert, aber die Meunier konnte das Kind nicht im Stich lassen. Sie war also die Mutter durch und durch. Als sie den Jungen sah, dachte sie, wenn sie ihm nur helfen könne, und wenn ihr Mann nur einverstanden sein, das Kind aufzunehmen. Sie konnte es nicht anders. Sie verstand, dab sie ihre ganze Familie in Gefahr bringen wird, aber sie war dieser Gefahr bewubt. Louise kam nach Hause und erzählte ihrem Mann über den Jungen. Aber er unterbrach sie und sagte, Annette habe das sehr dumm getan, und der Junge solle in seine Heimat zurückkehren. Trotzdem lief Loise Meunier am nächsten Tag